Kaum hatte ich die Öffnung im Hals annähernd integriert, passierte wieder eine kuriose Situation, in der ich mir barfußlaufend an einer Steinkante den kleinen Zeh brach.
Zufällig trafen wir einen befreundeten Schulmediziner, der klar den Befund stellte „Bruch der kleinen Zehe“. Es ist sehr heftig, wenn man sich einen Knochen bricht. Alles kollabiert von einer Sekunde auf die andere. Der Kreislauf bricht komplett zusammen. Alle Lebensenergie zieht sich zurück. Die Energie scheint aus dem Körper herauszufließen.
Das scheint aber nur so, denn die Energie fließt genau an den Punkt und konzentriert sich dort, wo sie gebraucht wird. In meinem Fall konzentrierte sie sich auf die kleine Zehe.
Es war Sonntag, und ich hatte Zeit, und was noch besser war: Ich war gerade keinen sogenannten Sachzwängen unterworfen. Das war ein Luxus ohne Ende.
Der Luxus bestand darin, dass ich einfach so in mir drin sein konnte, ohne vom Außen abgelenkt zu werden. Mit meinem Schmerz allein. Mein Spirit in diesem Körper. Ich hatte Zeit, um diesen scheinbaren Konflikt zwischen Spirit und Körper zu erkennen und zu lösen. Das ist etwas sehr Wertvolles. Nicht der Konflikt unbedingt, aber ihn lösen zu dürfen.
Ich erkannte sofort: Michael, sei achtsamer, bewusster.
Und mein Stolz sagte: Nein, ich bin schon super achtsam, super bewusst, mehr geht nicht.
Aber das stimmte nicht.
Es geht immer tiefer. Immer bewusster.
Also: Ich machte überhaupt nichts mit dem Schmerz. Stattdessen fühlte ich ihn, ganz tief. Und über das tiefe Fühlen des Schmerzes tauchte ich ab in die Innenwelt meiner Seele und erkannte, wo noch mehr Ordnung sein wollte. Allein diese Bereitschaft genügte, und alles ging wie von selbst in die Ordnung.
Ich hatte im Brustkorbbereich bereits eine große Öffnung erlebt. Diese Öffnung war noch nicht ganz verankert, noch nicht verwurzelt in den Beinen.
So ging die Erkenntnisreise los: Ich stellte mich auf die Wiese und fühlte und spürte nach dem, was noch an Bewegung ging in meinem Körper. Denn Gehen und Stehen ging nicht, zumindest nicht so, wie ich das üblicherweise tue. Ich tastete also den Möglichkeitenraum ab nach dem, was noch möglich ist. Und ich erkannte, dass ich mehr Spielraum habe, wenn ich direkt über meiner Ferse stand, in meinem Körper – ganz aufrecht. Außerdem war das Laufen mit gebrochener kleiner Zehe schmerzfrei möglich, wenn ich mich darauf ausrichtete, über den großen Zehenballen abzurollen und dabei innerlich ganz aufgerichtet zu bleiben. Das fühlte sich auch wesentlich natürlicher an. Auf diese Weise waren die gesamte Stützmuskulatur und der Beckenboden in alles integriert, was ich machte, und mit dieser Erkenntnis konnte ich zusehen, wie mein Zehenbruch in die Ordnung zurückfand und wie er auf der Stelle heilte.
Der schulmedizinische Freund von uns konnte es am nächsten Tag nicht glauben, dass ich schon wieder wie ein junges Reh herumflitzte.
Heilung muss nicht, aber kann schnell gehen. Ich denke, es ist nur die Frage, ob man sich auf diese Prozesse einlassen kann. Nichts (!) zu machen, ist die Kunst. Heilung gelingt dann am leichtesten, wenn wir vollkommen widerstandsfrei im Frieden mit den Prozessen sind, die sich zeigen und da sein wollen.
Alles alles Liebe, Rosa & Michael